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Die menschliche Stress-Reaktion

Die menschliche Stressreaktion.

Es macht wirklich Sinn sich genauer mit der Funktionsweise der menschlichen Stressreaktion auseinaderzusetzen. Denn sie ist es, die unser Verhalten und Erleben maßgeblich beeinflußt und enorme Auswirkungen auf unser indiviuelles Erleben, auf die Gesellschaft als Ganzes und somit auf das Weltgeschehen hat. Für jede Form der Therapie und Körperarbeit ist  Stressverarbeitung der Kern der Arbeit, denn nur wenn Klienten und Patienten es schaffen im therapeutischen Kontext zu innerer Sicherheit zu finden, kann Stress-, Traumaverarbeitung und Persölichkeitsentwicklung stattfinden.

2 Arten der Stressreaktion.

Grundsätzlich gibt es zwei Wege wie die Stressreaktion im Körper aktivert werden kann. Eine schnelle und eine verzögerte.

 

Die schnelle Stressreaktion (Millisekundenbereich):

funktioniert so, das über das sympatische Nervensystem direkte Nervenimpulse zu Muskeln, Drüsen und Organen geschickt werden, wodurch eine reflexartige Kampf-, Flucht,  oder Immobilisierungsreaktion ablaufen kann.

Ist der auslösende Stress vorüber, klingt diese Reaktion auch schnell wieder ab.

 

Die verzögerte Stressreaktion (Minutenbereich):

Hat unser Gehirn Grund zur Annahme das dauerhafte Bedrohung besteht (was auch durch innere Bilder und Gedanken entstehen kann), so wird über die vermehrte Ausschüttung von Cortisol aus den Nieren eine zweite stärkere Stressachse aktivert. Diese führt dazu, das unser Fokus noch mehr auf Überleben gerichtet wird.

 

Cortisol ist lebenswichtig und gut, aber dauerhaft leider schädigend:

  • Cortisol unterdrückt das Immunystem
  • Cortisol unterdrückt die Verdauung
  • Cortisol unterdrückt die Libido/Fortpflanzung
  • Cortisol hemmt höhere Hirnbereiche (Denken, Kreativität)

Alles was nicht zum Überleben benötigt wird, wird heruntergefahren. Langfristig ist das krankmachend, wenn nicht sogar tödlich, da der Organismus keine Chance mehr bekommt sich zu regenerieren und schwere Erkranungen daraus erwachsen können (Autoimmun, Krebs, etc..)

Trauma und Stressverarbeitung

Alle Säugetiere - und so auch der Mensch - sind traumatischen Elebnissen ausgesetzt. Zwei Drittel der Menschen, die schwere Traumen erlebt haben, können diese Traumen gut ohne zusätzliche Intervention verarbeiten und gestärkt daraus hervorgehen. Das wird Resilienz genannt.

 

Bei gut einem Drittel ist die anders. Diese Phänomen wird dann oft als PTBS (post-traumatische Belastungs-Störung) bezeichnet. Was sich dahinter verbirgt ist die nicht adequat abgeschlossene Stressreaktion, die Tiere beispielsweise ganz natürlich vollziehen würden. Die Energie, die ein Lebewesen im Überlebenskampf aufbringt ist enorm. Was passiert mit dieser Ladung aber, wenn weder Kampf noch Flucht funktionieren? Die Gefahr ist also so groß, das der Tod ausweglos erscheint. Um diesen Extremzustand weniger schmerzhaft zu machen, schaltet das Nervensystem als allerletzen Auswegversuch in einen Immobilisierungs-Modus. Das Lebewesen kollabiert,  kann sich nicht mehr bewegen und erscheint für den Angreifer als tod. Im besten Fall verliert der Angreifer in diesem Moment das Interesse an der Beute (Opfer) und lässt sich ablenken. Eine Fluchtmöglichkeit entsteht.

Stressrekation:

  1. Kampf-Flucht in diesem Fall erfolglos.
  2. Immobilisierung: Todstell-Reflex
  3. Atmung und Zittern um innere Energie aufzulösen
  4. Weglaufen

Ein weiteres Beispeil für die gesunde Entladung und Auflösung von Todesangst und Stressreaktion.


Zittern als natürliche Stressverarbeitung.

Tiere haben relativ leichten Zugang zur natürlichen Zitter-Reaktion und können so innerhalb von Minuten nach einem potentiell tödlichen Angriff wieder ruhig und entspannt grasen.

 

Wir Menschen sind natürlich etwas komplexer organisiert und so ist uns dieser Reflexmechanismus nicht ganz so leicht zugänglich. Dennoch ist es möglich schrittweise die gespeichert Überrekation kontrolliert abzubauen. eine schöne Methode hierzu ist das TRE (Tension-Realease-Exercises). Aber auch viele andere Bewegungs- und Trainingsformen können hilfreich sein.

TRE: kontrolliertes Zittern zum Abbau von Übererregung im Nervensystem, wie es oftmals durch Traumen entstehen kann.

 

Nicht nur bei Traumen, sondern auch als Weg der Stressverarbeitung sehr hilfreich.


Dissoziation

Ein bemerkenswertes Schutz-Phänomen ist die Dissoziation. Das bedeutet, das wir nicht mehr im Körper sind, was uns von den unerträglichen Erfahrungen einer Situation bewahren kann. Dissoziation kann sich sehr unterschiedlich darstellen und bleibt oft Tage, Monate, Jahre oder lebenslang nach dem eigentlichen Ereignis bestehen:

  • Man sieht sich von oben oder außen
  • man spürt den Körper nicht richtig
  • Körperteile fühlen sich verzerrt  und unterschiedlich groß an
  • man spürt Körpergrenzen schlecht oder gar nicht
  • man braucht harte Reize, um überhaupt etwas zu spüren
  • Unkonzentriertheit, Müdigkeit, Erschöpfung, Depression, Schläfrigkeit
  • dämmrig, schläfriges Entrücktsein während man wach ist
  • diffuse Körperempfindungen, Schwierigkeiten klar zu denken
  • Rastlosigkeit
  • aber auch: ein exstatisches Gefühl

Dissoziation - und das macht es gerade in der Körperarbeit schwierig - kann sich aber auch sehr angenehm anfühlen. Es wird von total entspannten, in Watte gepackt, schwebenden, vielleicht sogar erleuchteten Wahrnehmungen berichtet, die alles in allem sehr angenehm sind.

Trauma-Ursachen

Trauma kann im Grunde aus allem entstehen, was die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorhandenen persönlichen Bewältigungskapazitäten übersteigt. Es ist daher individuell sehr unterschiedlich, was als traumatisch empfunden wird. Ganz allgemein lassen sich folgende Traumaursachen erkennen:

  • Vorgeburtliche Erfahrungen (Stress der Mutter/Familie, ungewollte Schwangerschaft, bevorzugtes Geschlecht)
  • Geburt (Zangen-/Saugglockengeburt, Not-Kaiserschnitt, sehr lange andauernd,...)
  • Vernachlässigung (emotionale Bedürfnisse wurden nicht wahrgenommen, z.b Schreien lassen)
  • (Frühkindlicher) Mißbrauch und Gewalterfahrung, Demütigungen
  • Unfälle aller Art
  • Naturkatastrophen
  • und vieles mehr

Der Wert der Körperarbeit für die Stressverarbeitung.

Trauma und alle Arten von Stressreaktionen bleiben - wenn  nicht adequat beendet bzw. verarbeitet - im System aktiv und halten uns entweder in hoher Erregung (man ist ständig im Kampf oder auf der Flucht) gefangen, oder lassen uns sinngemäß kollabieren (keine Energie, Fatigue, Depression, Schwäche,...) hämmen das Immunsystem und machen ein normales, sozial-zugewandtes Leben unmöglich.

 

Die im Hintergrund bereitgestellte Überlebensenergie lässt keinen Raum mehr für ein entspanntes Sein und so ist es letzlich überlebens-notwendig Wege aus den Stressspiralen zu finden. Bei Traumen kann dieser Prozess oftmals Jahre dauern und braucht meist das Zusammenwirken unterschiedlicher Therapiemehtoden und Wege, wie zb. Psychotherapie in Kombination mit Körperarbeit und Yoga oder ähnlichem.

Bei der Verarbeitung der Stressrekation kann Körperarbeit Gold wert sein, da es zahlreiche Wege gibt die Stressreaktion über den Körper zu bremsen, zu stoppen oder sogar ins Gegenteil zu verkehren.

Um dies anschaulicher zu machen, möchte ich einige hier skizzieren.

"Psychosomatische" Muskeln

Im Grunde ist jeder Muskel und auch jedes andere Gewebe "psychosomatisch". Denn jede Zelle regaiert auf die Stressreaktion. Muskeln, Faszien und Bindegewebe ziehen sich bei nicht-abgeschlossenem Stress zusammen. Logisch, ich habe Angst, mein Körper möchte kämpfen oder fliehen, kann das aus irgendeinem Grund nicht tun, die Ladung bleibt aufrecht und Kontraktion - zusammenziehen, sich schützen - entsteht.

 

Bei der Behandlung ganz bestimmten Muskeln haben wir einen größeren Hebel in diese systemsiche Kontraktion einzugreifen al bei anderen. Dazu zähle ich zb. den M. Piriformis, den M. Illiopsoas, die Gesäßmuskeln, die Rückenstrecker, insbesondere aber die Nacken- und Halsmuskeln oder die Fußsohlen und die Kiefermuskulatur. Gelingt es diese Bereiche zu entspannen, kann die Entspannung auch auf andere Teile des Körpers übergehen oder generalisiert entstehen.

Stimulierung des Vagusnervs

Der Vagusnerv ist verienfacht ausgedrückt unser Entspannungsnerv. Er hat leider das Nachsehen im Vergleich zu unserem sympathischen Nervensystemanteil, dem Teil der uns in Erregung und Anspannung versetzt. Umso wichtiger ist es diesen Anteil in uns zu stärken und im Raum zu geben.

 

Der Vagusnerv ist über viele Körperzonen erreichbar. So kann er zb. ebenfalls über die Nacken- und Halsmuskulatur erreicht und beeinflußt werden. Gut zugänglich ist er ausserdem mit Craniosacral-Therapie an der Schädenbasis, im Stammhirn, sowie manuell oder durch Atemtechniken über das Zwerchfell. Langes Ausatmen besipielsweise regt den Vagusnerv an.

Bauchbehandlungen

Äußerst wirkungsvoll für die Entstressung und unsere Regeneration ist die Arbeit über den Bauch. Die Massage der tiefen Bauchmuskeln, des Darms, des Zwerchfells, des Magens oder beispielsweise bestimmter Ringsmuskeln im Bauchbereich hat eine starke Wirkung auf unser parasympathsiches Nervensystem und ist ausserdem total wohltuend. Mehr zu diesem Thema hier.

Sicherheit, Körperwahrnehmung

Sicherheit ist alles. Was meine ich damit? Oft kommen Menschen zu mir, weil sie Entspannung suchen. Logisch, Cranio oder Massage versprechen schließlich Entspannung. Menschliche Berührung ist aber etwas sehr intimes und wird unbewusst als bedrohlich empfunden. Und so bleiben gerade die Menschen, die unter einer hohen innneren Anspannung leiden auch während der Behandlung unbewusst sehr angespannt. Die Berührung verstärkt unter Umständen sogar das Phänomen.

Ich frage meine Klient*innen daher vor Beginn der Behandlung, ob sie sich im Körper sicher fühlen. Und erst, wenn dies tatsächlich der Fall ist, arbeite ich mit meinen Händen am Körper. Bis dahin, gilt es sich diese Unsicherheit bewusst zu machen, anzunehmen, sich zu erden und genau zu spüren, was gerade da ist. Denn wie oben schon beschrieben: unser System prüft in jedem Moment, ob Gefahr droht (diesen Prozess nennt man Neurozeption) und lässt sich auch nicht zu Sicherheit überreden. Achtsamkeit ist hier der Schlüssel zu wirklicher Entspannung.

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